2.3.
Dorfformen in der Mark Brandenburg
Im
Laufe der Geschichte sind, bedingt durch die Besiedlungsgeschichte sowie die
naturräumlichen Gegebenheiten, viele verschiedene Dorfformen entstanden. In
Brandenburg sind dies vor allem Einzelhöfe, Straßendörfer, Rundlingsdörfer
sowie Angerdörfer, deren Entwicklungsgeschichte im folgenden nachvollzogen
wird.
Im
Altsiedlerland, welches seit ca. 2000 Jahren von germanischen Bauern genutzt
wird und im von den Slawen nicht eingenommenen Teil des deutschen Sprachraums
findet man auch heute noch Siedlungen mit ungeregelter Anordnung. Dies waren
einst verstreute Einzelhöfe, kleinere Hofgruppen (bspw. Weiler) und lockere
Haufendörfer.
Der
folgende Text bezieht sich auf die verstreuten Einzelhöfe.
Einzelhöfe
liegen stets außerhalb geschlossener Ortschaften. Weit verbreitet sind sie im
Nordosten, Nordwesten sowie Südosten Deutschlands. Speziell in Brandenburg
findet man sie in der Prignitz und an der Oder. Die größte noch vorhandene
Einzelhofsiedlung befindet sich im Tiefland zwischen Niederrhein und Weser. Ihr
Ballungsgebiet ist die westfälische Bucht. Auf diese Region wird nun genauer
eingegangen.
Das
lockere Aneinanderliegen heißt dort “Drubbel”. Es ist die älteste
Siedlungsform in diesem Bereich. Diese Drubbel liegen stets angelehnt an einen
leicht gewölbten, mittelgroßen Ackerrücken, den Esch (Esch = alter Acker).
Jeder Hof besitzt mindestens ein Flurstück. Die Höfe befinden sich meist auf
feuchteren Böden als der Esch, d.h. an der Grenze zum anschließenden flachen
Grünland mit höherem Wasserstand.
Ein
Historiker fand heraus, daß alte Dörfer in Westfalen sich in Einzelhöfe
aufgelöst haben, so daß nur die Kirche und einige nicht bäuerliche Anwesen übrig
blieben. Der Grund dafür ist, daß die Bauern ihr Vieh nicht mehr auf die
Gemeindewiese treiben wollten. Sie bevorzugten es, das Vieh in Kämpen auf
privaten Weiden zu halten und verlegten ihren Hof in deren Nähe, um so die
Tiere besser in ihrer Obhut zu haben.
Es
stellt sich die Frage, warum nicht überall in Deutschland Einzelhöfe
entstanden.
Diese
Siedlungsform ist nur da sinnvoll, wo ökonomische und ökologische Vorteile
vorhanden sind, d.h. genug Acker- und Weideflächen, sowie Trink- und
Brauchwasserstellen. Die westfälische Bucht weist diese Vorteile auf.
Jedoch
auch im Randbereich der Alpen wird dies geboten - durch stärker bewegte Geländeformen
sowie zahlreiche Wasserläufe und Quellen. In der Neuzeit wurden auch in den
Oderauen, dem größten brandenburgischen Einzelhofgebiet, diese Gegebenheiten
geschaffen. Denn nach der Eindeichung wurde die Flußaue ackerfähig und die Flußmarsch
konnte besiedelt werden. Es waren/sind Ackerflächen von geraumer Größe sowie
Trink - und Brauchwasser vorhanden.
Folglich
gibt es drei Faktoren, welche die Ansiedlung von verstreuten Einzelhöfen begünstigen:
1.
In der Nähe ist genug Ackerland sowie andere große Nutzflächen.
2.
Man hat eine leicht mögliche Wasserversorgung vor Ort.
3.
Der Bauer hat eine günstige Lage im eigenen Wirtschaftsraum.
Die
Höfe wurden von Generation zu Generation weitergegeben und sind auch heute noch
die bäuerliche Siedlungsform Nummer eins in Deutschland.
Die
Tradition der Höfe prägt nicht nur das Landschaftsbild sondern auch die
Menschen.
Sie
sind oft wortkarg, eigenständig, gastfreundlich, dennoch vorsichtig gegenüber
Fremden. Solche Originale findet man in Schwaben, Bayern und Friesland.
Straßendörfer
sind Reihendörfer, bei denen die Gehöfte ein- oder zweizeilig und locker oder
eng entlang einer Hauptstraße angelegt sind. Sie entstanden ungefähr im
Mittelalter auf zwei unterschiedliche Arten.
Im
Altsiedelland legten Slawen an Fluß - oder Seeufern Höfe an, welche in langer
Reihe aneinandergeschlossen waren. Dabei entstand die typische Straßendorfstruktur,
wobei hier der Wasserlauf oder Kanal die “Straße” darstellte. Durch das
Versiegen mancher Flüsse oder die Absenkung des Wasserspiegels entstanden dann
daraus die “echten” Straßendörfer.
Manche
Straßendörfer waren ehemals Haufendörfer, deren unregelmäßiger Kern heute
kaum noch zu erkennen ist, da sich an langen Ausfallstraßen Hof an Hof drängt.
Andere
sind aus Weilern (aus wenigen ungeordneten Höfen bestehende Kleindörfer) in
engen Tälern gewachsen, wo wegen des Berglands an den Seiten eine Ausdehnung
zwangsläufig nur an der Straße entlang stattfinden konnte.
Im
Kolonisationsgebiet wurden vor allem in Ostmitteleuropa neue Dörfer direkt als
Straßendörfer geplant. Voraussetzung dafür war eine gute Entwicklung des Straßennetzes
im ländlichen Bereich. Bald bevorzugte man eine regelmäßige Ortsform (in
Wohnplatz - Flurparzellierung) und baute z.B. zerstörte Haufendörfer als Straßendörfer
wieder auf.
Die
meisten Straßendörfer sind planmäßig entstanden (Kolonistendörfer).
Das
Rundlingsdorf ist eine kleine hufeisenförmige Dorfanlage mit meist nur einem
Zugang von außen. Es entstand durch Neugründung oder durch die Erweiterung
einzelner Hofstellen und wurde meist von deutschen Bauern angelegt.
Solche
Dörfer sind vor allem im deutsch - slawischen Grenzsaum östlich und westlich
von Saale und Elbe verbreitet, z.B. im Hannoverschen Wendland. In Brandenburg
findet man sie in der Prignitz, im Oderland, südlich von Berlin und an der Neiße.
Die
Siedler waren immer von feuchten und fruchtbaren Böden abhängig, und so findet
man Rundlingsdörfer vor allem in sumpfigen Gebieten, im Übergang von trockenen
Ackerrücken zu Naßböden (Hofplätze und Gärten lagen hier auf den feuchteren
Standorten), sowie in Mulden, wo Brauch - und Quellwasser leicht erreichbar
waren. Oftmals befanden sich Eichenwälder in der Nähe, deren Holz kostbar für
den Fachwerkbau war.
In
ein Rundlingsdorf paßten höchstens zwölf Gehöfte hinein. Die Hofstellen
waren keilförmig, wobei die Stirnseiten der Häuser zum Anger hin zeigten, und
nach außen schlossen sich die Gärten und Äcker an.
Die
Ringform der Dörfer war nicht, wie ursprünglich gedacht, zu
Verteidigungszwecken angelegt sondern kann als Anpassung an die vorwiegende
Viehwirtschaft in diesen Gebieten gesehen werden. Das Vieh wurde nachts auf den
Anger getrieben und war somit geschützt. Außerdem hatten so alle Siedler den
gleichen Platz und die gleichen Rechte (nur der Dorfschulze besaß einen größeren
Hof) und der zentrale Platz betonte die Verbundenheit im Dorf.
Mit
der Zeit wuchsen viele Höfe, die Scheunen und Ställe wurden erweitert und neu
hinzukommende Bauern siedelten sich außerhalb des Dorfrundes an. Dadurch wurden
viele Rundlingsdörfer erweitert und die alte Struktur löste sich teilweise
auf.
Das Angerdorf
Angerdörfer
verbinden die Vorteile des Rundlings mit denen eines Straßendorfes. Ihre Höfe
scharen sich gleichberechtigt um einen zentralen Platz, welcher größer ist als
beim Rundling. Der ursprünglich ovale Anger besaß an den beiden Enden jeweils
eine Ausfahrt zur Ackerflur hin. Oft liegt das Dorf in einer Mulde oder einem
Bachtal, weil dort gleich ein Tränkbereich für das Vieh vorhanden war. Die
Kirche und der Friedhof nehmen gewöhnlich den höchsten Teil des Angers ein,
weshalb dieser meist eine ansehnliche Breite vorweist.
Man
kann die Angerdörfer als planmäßig gegründete Vertreter der Haufendörfer
ansehen. Sie haben ihre Hauptverbreitung östlich anschließend an die Haufendörfer
und finden sich vorwiegend in Gebieten mit fruchtbaren Böden und Ackerbau. Da
es kaum möglich ist, neue Hofstellen zwischen die anfangs Errichteten zu
schieben, werden die Dörfer entlang der Ausfallstraßen und der Wege um die Gärten
vergrößert. Die ursprüngliche Anlage ist aber heute noch zu erkennen.
Seit
dem 19.Jhd. hat der Anger seine Bedeutung als Weideplatz verloren. Häufig wurde
die Dorfstraße gepflastert und die Höfe rückten näher an sie heran. Viele
Anger wurden mit Kastanien und Linden bepflanzt und prägen so das Ortsbild.
Eine
Liste mit Beispielen verschiedener Dorfformen sowie die Verbreitung der
behandelten Dörfer in Deutschland befindet sich auf den folgenden Seiten.
Abb.
7: Dorfformen in Deutschland 1; aus: M.
Born 1977
Abb.
8: Dorfformen in Deutschland 2; aus: M.
Born 1977
Abb.
9: Verbreitung der Einzelhöfe in Deutschland; aus: H. Ellenberg 1990
Abb.
10: Verbreitung lockerer Straßendörfer in Deutschland; aus: H.
Ellenberg 1990
Abb.
11: Verbreitung enger Straßendörfer in Deutschland; aus: H.
Ellenberg 1990
Abb.
12: Verbreitung von Rundlingsdörfern in Deutschland; aus: H.
Ellenberg 1990
Abb.
13: Verbreitung von Angerdörfern in Deutschland; aus: H. Ellenberg 1990